3. Kunstkritiker im Nebenberuf:
Architekten, Philosophen, Techniker...

Offenbar verspüren Menschen aus ganz unterschiedlichen Berufsgruppen den unwiderstehlichen Drang, über Kunst zu schreiben: Architekten, Philosophen, Journalisten, ja sogar Computer-Pioniere. Warum denn auch nicht, schließlich fühlen sich ja heute auch zahlreiche Schauspieler und Kabarettisten bemüßigt (und befähigt) Bücher über Philosophie und den Sinn des Lebens zu verfassen! Beginnen wir mit den Ausführungen eines Architekten. Wenn ein solcher Texte verfasst, ist man geneigt anzunehmen, dass die Gebäude, die er entwirft, ähnlich konstruiert sind, wie die Sätze, die er schreibt – und vice versa. Schauen wir mal, ob er in diesem Fall wirklich eine minimalistisch anmutende Formensprache zu Papier bringt. Adolf Krischanitz über Ulrich Meister:

(Googelt man den Autor unseres ersten Fallbeispieles, findet man dies: Adolf Krischanitz ist nicht nur ein österreichischer Architekt von internationalem Ruf. Er war Präsident der Wiener Secession (1991-1995), langjähriger Professor an der Akademie der Bildenden Künste in Wien und der Technischen Universität in München und ist Professor an der Universität der Künste Berlin. Mit seinen klar konturierten Bauten in minimalistisch anmutender Formensprache hat er sich weit über die Grenzen Österreichs profiliert.)

Er, sie, es zeigen sich, die Gegenstände bleiben als Begriffe unbenannt, werden erst durch die sprachliche Umklammerung strukturell bestimmt. Die sprachliche Annäherung ist nicht frontal oder linear, sie ist spiralförmig. Im Zentrum der Spirale ist er, sie es, der Gegenstand. Er ist das Auge, wodurch man sieht und das selbst man sieht. Er ist der neutrale Wirkungsapparat, der einen Bedeutungsfilter vorschaltet, dessen Strukturierung jedoch erst durch die brisante Koppelung mit dem Text erfolgt. Der gegenständliche Ausgangspunkt ist einerseits real, mit all seinen Bezügen von Material, Form und vor allem Gebrauchswert, andererseits jedoch vollkommen seinem Ausstellungswert ausgeliefert, eine fast vorbegriffliche Rückkoppelung auslösend. Der Text ist eine ideale Näherung, er bleibt in jedem Fall in sich und ist noch nicht allegorisch (es mit anderen Mitteln sagen). Das Zentrum der Betrachtung, so scheint es, wählt sich sorgfältig selbst, mit der Aura der akzidentistischen Unschuld. Unschuldig ist er, sie es auf weißer Wand ebenso wie der text auf weißem Papier, alles distanziert sich von sich selbst und ist doch im Weiß gebunden. Die Ausstellungswand windet sich, die Katalogseite blättert sich als Grund-Figurgrund, als Nachbild, das Vorbild überformend. Die Aufladung mit Bezüglichkeiten leistet der Betrachter, er trägt das er, sie es, er trägt den Text, im entkommt seine Erfahrung zur neuen Sicht. Die scheinbare Gelassenheit des er, sie es, sie verschlingt sich mit dem Text zur sprachlosen Hygiene, emanzipiert sich zu akzidentistischer Offensive von Gegenstand-Textbild-Nachbild.




Kommen wir zur zweiten Kategorie nebenberuflicher Kunstkritiker, den Philosophen. Deren Hauptberuf ist es ja, uns die Welt zu erklären. Ob Sie uns aber auch ein Kunstwerk näher bringen können? Urteilen Sie selbst. Übrigens sagte Schiller seinerzeit in „Böse Zeiten“: „Philosophen verderben die Sprache...“ Warum wohl?? Burghart Schmidt über Marco Szedenik.

(Burghart Schmidt, geboren1942 in Wildeshausen, ist ein deutscher Philosoph. Er ist Professor für Sprache und Ästhetik an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main sowie an der Universität für angewandte Kunst Wien.)

Ornament als Dazwischen: Ornament in Häutung
Damit langte er aber schon bei dem Thema oder dem Motiv der Haut und der Häutung an. Denn was sind Ornate anders als Häute, die sich häuten lassen? Und was ist das unmittelbares Dazwischen zwischen Negativ und Positiv anderes als eine solche haut im Abzug von beiden Strukturkomponenten während deren Sichbegegnen? Dem Künstler ging über das Hautthema das Ornamentale des lebendigen Leibs auf, einmal in den vielen, vielfach ineiandergeschachtelten transformativ-redundanten Symmetrien aller Lager, und andererseits in der Einsicht, dass ein lebendiger Leib aus lauter Hautfolgen besteht. Zieht man eine Haut ab, so stößt man darunter auf eine andere Haut, ständig das aufeinandergelagerte Dazwischen zwischen Innen und Außen, ständig eine Dazwischen zwischen einem Positiv und einem Negativ, ohne das es irgendwo ein Positiv an sich, ein Negativ an sich gäbe, die bloß verpackt, eingehäutet wären, durchlässige Häute, deren Wesensfunktuion der Durchlaß ist, hin und her, her und hin. Transparenz macht hierfür eine Metapher.

Und Organe sind ausschließlich ihre strukturell geordnete Funktion. Was man von ihnen anschauen kann, das ist das Dazwischen den fungierenden Strukturmomenten. Und zwischen den anschaulichen Dazwischen liegen wiederum anschauliche Dazwischen. Insofern wir für für Szedeniks Ausstellung die Skulptur des transparenten Kubus mit der Spirale gleichsam zum „Logo“. Die Spirale ist einrollendes und ausrollendes Dazwischen schlechthin. Durchlass in Funktion schlechthin. Haut auf Haut schlechthin und doch eine plastische Drehfigur, die sich nur aus ihren Negativa bestimmt, dem, was sie selber nicht ist. So wie der Fuß in Aktion sich aus dem bestimmt, worauf er geht, obwohl er anschauliche Spuren hinterlässt, neuerlich als sein Nagativa. Und zwar so sehr als seine Negativa, dass sie seinen Prozess ins Ab-Wesen anschaulich schildern. Auch eine Spirale schildert ja anschaulich ihr Sichentrollen in dynamischer Drehung.

Szedeneik hat sich jetzt breit in die künstlerische Auseinandersetzung mit einem Ornamentalen der Natur begeben, aus dem der Mensch seine Ornamentik sekundärer Art zu entfalten begonnen hatte und damit jenes künstlerische Unternehmen, das insgesamt den umfänglichsten Anteil menschlichen Darstellens um des Darstellen willen einnimmt. Wie gering ist damit der Anteil jener Kunst, die sich um substanziell individuierte Positiva von Darstellung bemühte im Schein eines Daseins an sich ohne konstitutives Negativ oder in Gleichgültigkeit ihm gegenüber. Wenn Szedenik allerdings seine Kunstornamentik herausarbeitet aus einem Ornamentalen der Natur in ihren Funktional- oder Strukturaltiefen, die auch nur Funktionsoberflächen eines Positiv-Negativ-Dazwischens ausbilden in durchlässigen Häutungen, dann geht er damit von der Kontemplation des unmittelbar gegebenen Naturbilds ab.

Schließlich spricht Szdenik von einem Metaeuphorischen anlässlich seiner Arbeit, also von Hinaustreten aus der Euphorie wohl des großen Naturjubels, der uns über die Natur belügt und damit über die Menschen. Gemeint ist allerdings von Szdenik mit dem Metaeuphorischen wiederum auch seine Gleichsam-Begeisterung seinerseits für jenes Dazwischen, in dem sich der Naturprozeß und die Prozessualität der Kommunikation zu strukturalen Entsprechungen begegnen. Diese Euphorie tritt eben neben sich, anders als die ihrer selbst gewisse Sentimentalistischen, weil Szdenik ihr nicht ganz über den Weg zu trauen vermag. Dazu ist sie zu ambivalent oder gar zu vieldeutig. Trotzdem ist Szdenik vom Dazwischen des Positiv-Negativs fasziniert.


Wer nicht?




Wenn einer den ersten volltransistorierten Computer gebaut hat, warum soll er dann nicht auch tadellos über Kunst schreiben können? Wäre doch gelacht. Also, auf geht's:

(Heinz Zemanek, geboren1920 in Wien, ist ein österreichischer Computerpionier. Er besuchte die Schule in Wien sowie die Technische Universität Wien, wo er Nachrichtentechnik studierte. 1944 wurde er Diplom-Ingenieur. Seine bekannteste Leistung ist der Bau des ersten volltransistorierten Computers.)

GEDANKEN ZUM WERK VON EVA RIEDL
MUSTERVERARBEITUNG – DATENVERARBEITUNG DESIGN UND INFORMATION ALS DIGITALE KÜNSTE
Design ist ein englisches Wort, für das es im Deutschen kein ersetzendes Äquivalent gibt. Denn die Wörterbucheintragung Entwurf, die sich anbietet, hat einen weit allgemeineren Bereich; entwerfen kann man auch Texte und Technische Anlagen. Design bezeichnet den künstlerischen Entwurf, aber verbunden mit handwerklich-logischem Können, mit einer Disziplin, die – übertreibt man sie – in Manierismus entarten kann. Die Entwurfskunst kann auf vielerlei Art betrachtet werden. Ein Ingenieur, und ein Computer-Ingenieur im besonderen, neigt natürlich dazu, sie aus jenem Blickwinkel anzuschauen, aus dem heraus sich auch auf seinem Feld der Entwurf entwickelt, aus dem Gegensatz zwischen analog und digital, zwischen stetig und unstetig. Von dorther aber erweist sich dieser Gegensatz als schöpferisches Spannungsfeld, in welchem sich diese Gegensätze vereinen und durch einander ersetzbar werden. Vor allem erscheint die Kunst des Schöpferischen selbst als Bewegung in diesen Gegensätzen: die Idee wird im Kontinuum geboren, aber in der Kombinatorik ausgeführt, und Kombinatorik bedeutet Umgang mit Objekten, konkreten wie abstrakten, mit Brocken im Kontinuum, mit Knödeln in der Suppe, um es in ein kulinarisches Extrembild zu fassen. Allerdings werden die Knödel vom Designer zum Exerzieren gezwungen: in Reih und Glied der befriedigenden Anordnung.

1. Die Spannung zwischen Phantasie und Handwerk

Phantasie kann nicht digital sein: wenn sie nicht frei ist von Systematik und vorhandenem Rahmen, dann ist sie keine Phantasie, höchstens gefesselte Phantasie. Andererseits ergibt Phantasie allein keinen Entwurf, und schon gar nicht einen Entwurf, der den Namen Design verdient. Design ist ein Phantasieprodukt, das durch den Prozeß der handwerklichen Verarbeitung gewalkt wurde. Dies kann rein verstandesmäßig erfolgen, aber auch im Unterbewußtsein, und das ergibt nicht die schlechteren Lösungen. Recht oft hört man Schilderungen, wie eine Idee versinkt, eigentlich nicht mehr da ist, plötzlich aber samt dem Prozeß der Realisierung auftaucht, so daß die Verarbeitung zum trivialen Ablauf wird. Wie dies zustandekommt, ist nicht beschreibbar. Entwurf ist nicht formalisierbar; allzu viel spielt sich in den Grenzbereichen ab, die der Beobachtung unzugänglich sind. Aber das Spannungsfeld der Gegensätze ist durch eine Liste von Begriffspaaren darstellbar, die eine Orientierungshilfe für diese Betrachtung bildet. Für die meisten Zeilen gilt, daß der linke Teil des Paares zuerst da ist; es kann aber auch umgekehrt sein. Eine Idee, ein Gedanke – der Kern für einen Entwurf: sie entstehen in einem Kontinuum der Vorstellung. Das Neue ist zuerst nicht gegliedert – die Gliederung wird nicht von der Phantasie fertiggestellt, sondern vom handwerklichen Wissen und Können. Die Idee hat keine kleinen Fehler; sie kann aber als Ganzes ein Fehler sein. Die erste, einfachste Gliederung hat selten Fehler (außer fehlenden Teilen). Der Teufel sitzt im Detail, wie es mit großer Richtigkeit heißt: die Fehler kommen in ein Werk erst mit der Ausführung hinein, mit der Untergliederung, mit der Verfeinerung, bei der Vervollständigung. Über Fehler kann und sollte man lang nachdenken und reden und schreiben, denn zunächst unterschätzt man Menge und Wirkung der Fehler, die sich erst allmählich offenbaren. Entwürfe bedürfen aber nicht unbedingt der Idee, der Leistung der Phantasie. Der schlechte, der unkünstlerische, der schwache Entwurf beginnt bei einem vorhandenen Inventar und beschränkt sich auf die Kombination vorfabrizierter Teile. Der Lieferkatalog einer Schule (eines Stils) oder eines Warenhauses dient zur Auswahl von Elementen, die dann – ohne Konzept für das Ganze, ohne Leitgedanken, ohne tragende Idee – aneinandergefügt werden, in einem „Trial- and Error-Verfahren“ (d. h. es wird probiert und umgetauscht wie beim Einkauf in einem Warenhaus, bis der Kunde zufrieden ist). Auf diese Weise entstandene Produkte haben auch einen Stil, aber einen schlechten, und eine Architektur, aber eine schlechte; unsere Welt ist an vielen Stellen mit solchen Produkten angereichert. Berge solcher Produkte bilden den kontrastierenden Hintergrund für das Schöpferische wahrer Künstler. Einige der Begriffspaare mögen ein bißchen willkürlich hinzugefügt erscheinen, und man kann sie auch anders sehen, aber in einem gewissen Sinn stellt die Summe das Spannungsfeld des Entwurfes recht anregend dar, überhaupt, wenn man die gesamte Liste im Bewußtsein behält und mit ihr spielt. Die Idee für den künstlerischen Entwurf beginnt also im Stetigen, im Kontinuum der Vorstellungen. Die erste Idee hat keine Teile oder spielt souverän mit ihnen. Erst die allmähliche Ausarbeitung gliedert in Teile, rationalisiert Mut. STETIG schwingend zeigen analog KONTINUUM ZAHLENANGABE WELLE
Rotation Suppe Gestik Aquarell PAPIER Gedanke IDEE PHANTASIE
UNSTETIG
springend zählen digital
TEILCHEN, OBJEKTE LOGIK, KOMBINATORIK KORPUSKEL Stoß
Knödel
zählender Finger Mosaik, Raster GEWEBE
Laut, Buchstabe, Wort ENTWURF, KUNSTWERK HANDWERK

Eva Riedl hat ein recht charakteristisches Beispiel nachgeliefert (als die Gedankenlinie dieses Beitrags bereits festlag), auf das wir beim Muster „Bologna“ zurückkommen: was zu einer raffinierten Kombinatorik scheinbar extremer Digitalität ausgebaut wurde, begann als Welleneinfall. Design geht weiter als handwerklich beherrschte Durcharbeitung und Ausgestaltung, wo dann die digitale, rationale und die systematische Vorgangsweise, ja selbst die Katalogbenützung ebenso nützlich wie wirtschaftlich wird (der Künstler wählt natürlich am liebsten aus seinem eigenen Repertoire). Es gehört zur Kunst des Entwurfs, von der genialen Idee bis zur wirtschaftlichen Herstellung zu kommen, ohne den zündenden Anfangsgedanken zu verlieren oder zu verdecken. Im Idealfall sieht man ihn frisch wie am ersten Tag. Gutes Design hat gute Architektur, wie Vitruvius sie vor zweitausend Jahren gefordert hat: Symmetrie – nicht als Spiegelung, sondern im antiken Wortsinn als Zusammenmaß, als Harmonie und als Konsistenz. Kein Geiz und keine Üppigkeit der Mittel; Maßhalten ist oberstes Gebot. Verträglichkeit ist nicht aufgeklebt, sondern organische Selbst- und Inneneigenschaft. Unter solchen Bedingungen vertragen sich die verschiedensten Stile nebeneinander – wenn sie organisch zu einem Ensemble gewachsen sind. Man überschätzt nur allzuleicht die Unterschiede zwischen Kunst, Mathematik, Naturwissenschaft und Technik, weil Erscheinungsformen, Arbeitsideale und Handwerkswissen so verschieden sein können. Was das Schöpferische anbelangt, herrschen Gleichheit und Ähnlichkeit vor. Es ist müßig zu fragen, ob ein Fach (zum Beispiel das Design oder die Programmierung) Kunst oder Wissenschaft oder Technik sei; wenn nicht das rechte Maß von allen dreien gefunden wurde, dann stimmt vieles nicht. Und in allen dreien wirkt die beschriebene Spannung zwischen Intuition und Formalität, zwischen dem hochfliegenden Gedanken und der gekonnten Inventarbenützung als Kraftquelle. Ob es der klare Entscheidungsbaum einer aufgestellten logischen Ordnung ist oder die Inventarliste von vorgefundenen Gegenständen oder Geldbeträgen, von Arbeitsmethoden oder Prozeßabläufen, von leitenden Modellen (künstlerischen Vorbildern) oder Gedankenklischees: der Mechaniker wie der Professor, der einfache Arbeiter ebenso wie das Genie braucht eine derartige Mustersammlung, damit aus Ideen etwas Brauchbares wird. Der Rang erwächst aus der Art, wie die Intuition mit dem Inventar umgeht. In diesem Umgang liegt der Schlüssel zum begnadeten Künstler, zum genialen Wissenschaftler, zur kreativen Designerin. Wer bloß im Gefüge des vorgefundenen Inventars herumräumt, ist Epigone – und das kann eine notwendige, segensreiche Tätigkeit sein. Man muß nur durchschauen, wenn solche Tätigkeit als Genialität angepriesen wird. Das Außerordentliche beruht immer auf der Existenz und auf dem Betrieb des Ordentlichen. Um den schöpferischen Menschen herum und auch in ihm selbst ist ein hohes Maß an disziplinierter Routine erforderlich, soll das Schöpferische nicht im Chaos enden. Es kommt auf die Zusammenstimmung an, die nicht jedem und die nicht immer gelingt. Damit aber genug der vorbereitenden Theorie – wenngleich das Nachlesen im ersten Buch von Vitruvius sehr empfehlenswert ist. Es geht um das subjektive, individuelle Werk einer Künstlerin, das die Theorie für seine Entwicklung nicht brauchte, sie aber nachträglich bestätigt.





Wer sich von dieser packenden Abhandlung trennen kann – und nicht den zwingenden Wunsch hat, sie gleich noch einmal zu lesen, der wende sich nun einem weiteren Kunst-Werk aus der Feder eines Philosophen ...pardon, einer Philosophin zu. Wir zitieren aus dem Katalog Fleissner „verbindungen und trennungen“.

(Mona Singer, Studium der Philosophie, Politik- und Kommunikationswissenschaften, Promotion in Philosophie 1985 seit Oktober 2003 ao. Univ-Prof. am Institut für Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsforschung der Universität Wien.)

es ist gemeinhin schwieriger, über erfahrenes und erlebtes zu berichten als über vorgestelltes. der baum verdichtet sich, holzig sind sie, seine geschenke, sagt er und dreht sich figuren und formen heraus, schickt teile auf die reise und er, der baum bleibt trotzdem stehen, gesteht ein, ein stück im verschenken, wie eine list der natur gegen den gemeinen, mit gemeinhaft behafteten verstand, natur gegen umwelt. dichtungen und drähte, klammern und verschweißen, löten und kleben sind reisebeschreibungen, stationen und verortungen. es wandert in der form, das geschenk. die symmetrie ist nur scheinheilige harmonie, ist nur verdopplung, verkupplung mit sich selbst, ist zweifelhafte zweifache einsamkeit, die sich verkehrt an sich selbst anschließt. bei einem geschenk fragt man nicht, nicht woher, warum und woraus, sag mir nicht genau, was keiner weiß. wenn im traum ein haus abbrennt, dann stirbt jemand den du kennst oder ist es vielleicht ein teil von dir, den du genau nicht kennst. ein geschenk, so weiß man, ist nichts, das den symmetrischen austausch mit sich führt, es ist vielmehr, als ob einem jemand eine reisebegleitung an die hand gibt, etwas das neben, daneben mit ist und durch das hintereinander der zeit begleitet. denn mit der zeit verbindungen einzugehen entspricht verschenkten bemühungen um eiswürfel, wie gewonnen, so immer schon zeronnen. wenn man im traum mit einem schiff fährt, dann heißt das für dich: gewinn, wenn du aber nur zeit gewinnst, dann wirst du immer warten, auf geschenke des himmels vielleicht, vielleicht auf überraschungen, darauf, daß etwas am überholen ist, ein- und befällt, eine überraschend rasche ungleichzeitigkeit. industrielle reste und geschenkt genommene natur wandern in loser verbindlichkeit, drahtstücke und klammern überbrücken befremdlichkeiten zwischen den voreingenommenen bedeutungen. über die herkunft spricht man nicht dauernd auf reisen, sagt der fremde. leise kannst du andeutungen versprechen, narren verflüstern, sätze zerstückeln, aber schrei nicht, brüll nicht deine sätze in den wald, glaub nicht, das echo wäre das gesetz, es ist bloß die schlechte symmetrie. verschiedenes läßt sich nur veräußerlicht zusammenzwingen, nur als an das außen abgegebenes überbrücken, aber brücken lassen sich schlagen, dazu, richtungs- und geländerlos, aus einem wie auch immer verfaßten inneren, vielleicht, ja sogar wahrscheinlich, sprachlos. die einen bauen und planen und wiederum andere gehen hinüber, über schwebestege, ohne seufzer traumverloren, wie mondsüchtige, haben keine angst vor dem freien fall, haben auch noch den zu-fall auf ihrer seite. und du kommst, verbindest es, nimmst es fest in die hand und schlingst auch noch dreht herum, damit es hält und dann kommt irgendeiner, einfach irgendeiner und sagt: he, du traumtänzer, du mit den träumen eines geistersehers, du von phantasmagorien verfolgter und der verfolgt dich dann, und das ist irgendeiner, einer von den vielen. du mußt verbindungen eingehen und es kann dir passieren, das du den kopf dabei verlierst, nichts leichter als das. oder du bindest den körper an die Idee, läßt ihn zappeln, traumbesitz. aber sei vorsichtig, desinfektionsmittel belagern die straße und plötzlich bist du tot, aus dem hinterhalt. bänder, haar, holz und dreht, feste verbindungen, nicht mit einem blick gewonnen, nicht mit einem augen-blick wieder zerronnen. das unsicherste im leben sind die anderen, sogenannte blick-kontakte. ein geschenk ist nichts erworbenes und eine schöne reise er-fährt sich nicht im ziel, der blick ist nicht das objekt, der blick ist die reise, das objekt ist das ziel, aber nie wird der blick wirklich ankommen. das ist ein kunstobjekt, sagt der fremdenführer. was ist kunst, fragt die fremde?

Wir uns auch!



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